Dienstag, 25. Juni 2013
Morgens halb neun in Deutschland
Eigentlich wollte ich mir vor der Arbeit nur schnell einen Kaffee holen. Ich betrete die Wohnung und steuere direkt in Richtung Küche. Die Tüte mit frischen Brötchen vom Bäcker auf einer der Arbeitsplatten fällt sofort auf. Was auf den ersten Blick gut und lecker klingt, wurde aber nur gekauft, um der allmorgendlichen Fahrt zum Supermarkt ein Mäntelchen zu geben. Die drei oder vier Flaschen Weißwein - der einzige wirkliche Grund für den Einkauf - stehen vermutlich wieder im Arbeitszimmer versteckt hinter der bodenlangen Gardine hinter dem Schreibtisch.

Um so viel (W)Einkäufe nahezu täglich zu tarnen, benotigt man natürlich eine erhebliche Menge an Brötchen. Viel mehr, als dieser Haushalt zu essen imstande wäre. Dazu kommt, dass hier niemand mehr Brötchen mag. Nicht nur, wegen ihrer schieren Menge, sondern weil natürlich jeder genau weiß, was es mit ihnen auf sich hat. Und so werden auch heute wieder die meisten davon vertrocknen. Manche werden später sicher zu Paniermehl verarbeitet, auf den Rest kann sich voraussichtlich das Pferd freuen. Im letzten Jahr ist auf diese Weise allein für Backwaren ein dreistelliger Betrag vernichtet worden.

Um die Tüte herum liegt ein halbes Dutzend verschiedener Sorten Aufschnitt verschtreut. Die günstigen Sorten vom Discounter sind natürlich unter ihrem Niveau, die Feinkostprodukte aber zu teuer, und so liegt dort letztendlich auch nur Formfleisch, aber von den teuerst möglichen Marken. Eines der Brötchen ist aufgeschnitten. Die Schnittkante ist so schief, dass ich mich frage, wie man das noch belegen können soll. Offensichtlich ist die erste Flasche Weißwein schon leer. Mindestens.

Da erregt eine Nachbarskatze, die sich wohl durch eine der geöffneten Terrassentüren hereingeschlichen hat (was hier jedoch allgemein toleriert wird) ihr Aufsehen und so tritt sie aus dem Arbeitszimmer in die Halle. Ihre Fahne erregt selbst auf mehrere Meter noch meine Übelkeit. Wir wechseln ein paar Worte, doch ich habe den Kaffee auf und entschuldige mich.

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Freitag, 21. Juni 2013
Zitterpartie
Wir sitzen am Tisch. Sie links, zwei ihrer Söhne rechts. Auf dem Tisch stehen: Eine Schüssel mit Kartoffeln, zerkocht, ohne Salz, ohne Soße oder sonst etwas. Eine Glasschüssel mit geschmacksneutralem Eisbergsalat in einem schlammfarbenen Dressing von undefinierbar süßlichem Geschmack aus einer Plastikflasche. Eine Platte voller Stücke TK-Fischs, bei denen Käptn Iglo es mit dem Rosmarinaroma in der Panierung deutlich übertrieben hat. Die Stücke sind irgendwie matschig, man erkennt kaum, wo das eine Stück aufhört und das nächste beginnt.

Wir beginnen zu essen. Gerne sitzt hier niemand am Tisch, aber ein völliges Fernbleiben hätte Auseinandersetzungen zur Folge, die niemand zu riskieren bereit ist. Sehr langsam und bedächtig zerteilt sie ihren Fisch mit Messer und Gabel. Der Vorgang des Essens mit Besteck verlangt ihr vollste Konzentration ab.
Sie muss wohl den neuen BMW in der Auffahrt bemerkt haben, denn plötzlich fragt sie einen ihrer Söhne, ob seine Freundin nicht mitessen möchte. "Sie hat keinen Hunger." Jeder, der um Figur und Essgewohnheiten der Freundin weiß, erkennt hier sofort die Notlüge. Fast jeder. Alle außer ihr schauen auf ihre Teller. Schaut doch mal jemand auf, wird penibel darauf geachtet, dass sich bloß nirgendwo Blicke treffen.
Als ich wieder aufsehe, hängt ihr gerade ein großes Salatblatt voller Soße aus dem Mund. Langsam und laut schlürft sie es hoch; zurück bleibt ein breiter Streifen Soße auf ihrem Kinn.
Ich stopfe mir den letzten Bissen in den Mund, stehe auf und verlasse den Tisch. Als Ausgleich für diese Unhöflichkeit räume ich die Küche auf und bringe den Müll raus. Danach nur noch schnell weg.

Zum Glück ist heute mal wieder Freitag. Noch ein paar Stunden, und ich habe das Haus wieder alleine für mich. Endlich!

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Erhöhter Pegel
Nach dem letzten Text ging es für sie nach zwei weiteren Wochen des täglichen Suffs ohne besondere Vorkommnisse in einen mehrwöchigen Urlaub. Welch eine Erholung für uns Daheimgebliebene!

Leider ist sie seit genau zwei Wochen wieder im Haus. In diesen 14 Tagen war sie lediglich fünf Mal nicht schon zur Mittagszeit sturzbetrunken. (Was nicht heißen soll, dass sie an diesen Tagen nichts getrunken hätte.)
Montag beispielsweise hat sie mittags matschige Nudeln mit Soße aus dem Glas serviert. Nach dem Essen sah sie aus, als hätte sie sich die Soße mit der Kelle über ihr Shirt gekippt.
Donnerstag hat sie stark angesoffen dem Mensch vom TüV, der die Heizungsanlage inspeziert hat, ihr Leid geklagt: Wie schlimm es doch sei, mit ihren beiden Versagern von Söhnen die 250 qm Wohneigentum zu teilen. (Der eine hat gerade sein Ingenieursstudium gut abgeschlossen, der andere hat dieser Tage erfahren, dass er das Mensa-Kriterium deutlich übererfüllt.)
Freitag hat sie - nachdem sie den halben Vormittag und den gesamten Mittag besoffen auf der Couch gelegen hat - bei dem Versuch TK-Fisch zuzubereiten beinahe die Küche in Brand gesteckt. Der ätzende Gestank von zuviel Öl jenseits des Rauchpunkts liegt noch immer im gesamten Haus.

Mir ist schlecht.

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Freitag, 3. Mai 2013
Scheiße ohne Erdbeeren
Heute habe ich echt den Kaffee auf!

Nach dem Frühstück hat sie wie jeden Tag angefangen, sich mit Weißwein zu betanken und irgendwelchen Mist in ihrem favorisierten sozialen Netzwerk abzusondern. Da ich aber zwischenzeitlich im Garten richtig rangeklotzt hatte, fühlte sie sich berufen, etwas leckeres zu kochen. Okay, nicht lecker, aber zumindest kochen. Wobei kochen genau genommen auch übertrieben ist, denn eigentlich sitzt, trinkt und schreibt sie dabei weiter und geht nur sporadisch in die Küche, um in Töpfen und Pfannen rumzumanschen und ein Maximum an Convenience-Produkte und E's zu verwenden. Hackbällchen, Salzkartoffen und Prinzessinenbohnen waren geplant. Das könnte wirklich lecker sein, aber das würde sie nichtmal nüchtern schaffen. Mein erster Gedanke war, dass dies die perfekte Gelegenheit für den Lieferservice sei, doch das hätte nur Stress gegeben. Genau so, wie die Zubereitung selbst zu übernehmen.

Nein, ein Plan B musste her und der kam in Gestalt einer Jägersauce als mein Beitrag zum Essen. Komplett selbst gemacht, komplett ohne E's und richtig lecker. Damit begossen, bekäme man auch den Rest relativ schmerzfrei runter, so meine Idee.

Die Sauce war fertig und wurde auf kleiner Flamme warm gehalten, die Kartoffeln brauchten noch etwas länger. Ich stand in der Küche starrte leicht angeekelt auf die Frikadellen, die in zwei Finger tiefem Öl frittiert wurden (von braten kann man da ja nicht mehr sprechen) und war in Gedanken schon bei dem Küchenkrepp, mit dem ich zumindest meine Portion vor dem Essen abfetten würde.

Plötzlich trat sie durch die Tür an das Kochfeld, packte sich die Stielkasserole mit meiner Sauce und kippte alles in das fiese Öl, in dem die Frikadellen trieben. Ich war entsetzt und starrte fassungslos auf die Schweinerei. "Das war keine gute Idee." entfuhr es mir lakonisch. "Das war sogar eine sehr gute Idee!" entgegnete sie grinsend und würzte die Mischung noch mit zwei Esslöffeln Salz, bevor sie begann, die Schweinerei umzurühren. Ich musste raus - sofort!

Als das "Essen" später fertig war, habe ich einen Kleks Bohnen (zu Matsch gekocht und völlig versalzen), eine Kartoffel und eine Frikadelle runtergewürgt und bin wortlos gegangen. Der Jauche aus Soße und Öl, die sich zwischenzeitlich natürlich wieder getrennt hatte und optisch an Erbrochenes erinnerte, bin ich großräumig aus dem Weg gegangen.

In den nächsten 48 Stunden wird sie die meiste Zeit bei ihrem Freund verbringen, so dass ich sie nicht sehen muss. Das ist auf jeden Fall besser - für uns beide.


P.S.: Später erfuhr ich von einem Anwesenden, dass sie...
... sämtliche Kochfelder vergessen hatte auszuschalten.
... den Backofen, den sie eigentlich gar nicht benutzt hat, auf höchster Stufe eingeschaltet und dadurch die Reste vom Vortag in Briketts verwandelt hat.
... einen hohen Anteil ihres Essens auf dem Boden um sich herum verstreut hat (ohne es zu merken).
... sich danach erst mal auf der Couch ausgeschlafen hat.
... sich danach ans Steuer des Autos gesetzt hat!

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